Seit 16 Jahren tritt das Pfarrerkabarett im „Kühlen Grund“ in Reinheim auf. Der Saal ist ein aus der Zeit gefallenes, gastronomisches Juwel. Urig, gemütlich, voller Patina und retro im besten Sinne. Neulich wurde der 100. Geburtstag des Saales gefeiert und ich durfte mit einem Kurzbeitrag dabei sein. Es war ein wunderschöner, höchst abwechslungsreicher Abend.
Hier ein Bericht darüber:
Historischer Saal im „Kühlen Grund“ wurde 100 Jahre alt!
Die „gut Stubb“ Reinheims feierte unlängst ihren 100. Geburtstag. Wirtsehepaar Evi und Wilhelm Mayer hatten dazu ihr Schmuckstück besonders herausgeputzt und treue Gäste des „Kühlen Grunds“ zum Jubiläum eingeladen. „Guggugg“ Jürgen Poth führte durch den abwechslungsreichen Abend und hatte dazu zahlreiche Bühnenakteure gewinnen können.
1924 hatten die Großeltern von Evi Mayer neben der Gastwirtschaft den Saalanbau eingeweiht. Er diente damals schon als Kino für Stummfilme, ein Pianist sorgte für die musikalische Untermalung. Tanzveranstaltungen fanden viele Jahrzehnte lang statt. Leo Fornoff erinnerte an die sechziger Jahre, als der Saal Übungsort für den Fanfaren- und Spielmannszug der Reinheimer Feuerwehr war. Auch Manfred Hessel probte darin mit seiner Band, deren früher langhaarige Mitglieder eher auf Rock- und Beatles-Musik standen. Besonders beliebt waren die Fastnachtsbälle des Bundes deutscher Vertriebener gewesen. Dazu wurde die damals noch offene Kegelbahn in kleine Séparées verwandelt. Auf der Empore war die Sektbar, und über eine Rutschbahn konnten die Feierwütigen wieder in den Saal zurück.
Der Künstler mit der längsten Saalerfahrung, seit 1986, ist Fredrik Vahle, dessen Wirken Renate Grieger vorstellte. Mit Jürgen Poth sangen die Gäste im Saal sein Lied „Anne Kaffeekanne“ und erinnerten sich an die Generationen übergreifenden Sitzkissenkonzerte, die es bis heute gibt. Gerd Grein begann vor etwa einem Viertel Jahrhundert als „Babbelschnut“ mit Mundartveranstaltungen. Zum Jubiläum erinnerte er humorvoll an den Brauch des „Flannerts“ im Saal, den Leichenschmaus nach Beerdigungen. Als Liedermacher im Odenwälder Dialekt ist auch Poth als „Guggugg“ seit 2006 auf seiner Hausbühne, und das mehrmals im Jahr. Die Premieren seiner vierzehn verschiedenen Konzertprogramme fanden immer im Historischen Saal statt. Seit Februar 2009 wird hier von Jürgen Poth auch zum traditionellen „Kumm-Oowend“ eingeladen, der auf mittlerweile 58 Veranstaltungen zurückblickt. An die „Akustik-Bühne“, die im gleichen Jahr von Hans Werner Grünewald ins Leben gerufen wurde, erinnerte „Poisy“ alias Norbert Dörner.
Die Gemütlichkeit des Saales, seine heimelige Atmosphäre, lobten weitere Bühnenakteure. Hans Greifenstein ist seit 16 Jahren mit dem „Pfarrer(!)Kabarett“ hier. Clemens Bittlinger schwärmt von der besonderen Stimmung in der fast musealen Einrichtung. Manfred Pohlmann lobt das Ambiente, das genau zu seinem Schlager-Konzert „Wenn das Freddy wüsste“ passt. Gemeinsam mit Rainer Weisbecker und Jürgen Poth war er erst vor drei Wochen mit „Unikümmer“ hier auf der Bühne.
Harald Feick stellte die neue Veranstaltungsreihe „Rotes Sofa“ vor, in der er seit 2023 bekannte Künstler aus der Region nach Reinheim in den Historischen Saal bringt. Den Beitrag des „Kühlen Grunds“ zur lokalen Kulturarbeit lobte auch Karina Klock-Gessner vom Kulturamt der Stadt Reinheim, die gemeinsam mit Bürgermeister Manuel Feick Evi Mayer für dieses Engagement dankte. Auch Landrat Klaus Peter Schellhaas resümierte über den Saal, der mittlerweile unter Denkmalschutz steht, und dessen Bedeutung für die Regionalität der Sprache, des Odenwälder Brauchtums und der Kultur, für die dieser hoffentlich noch viele Jahre eine Heimat anbietet.
Dem Geburtstagskind Brigitte Jung fiel die Rolle zu, weitere Geburtstagskinder zu ehren. Neben Hans Georg Treblin war es vor allem Wilhelm Mayer, der mit dem Saaljubiläum auch seinen achtzigsten Geburtstag feierte. Die Irish Folk Band „Ceol na gCuach“, die seit 2008 im Historischen Saal jährlich ihre Balladenabende anbietet, wünschte musikalisch den Jubilaren alles Gute und gab noch eine Kostprobe aus ihrem vielseitigen Repertoire.
Außerhalb der hessischen Schulferien wird auch 2025 immer etwas los sein im Historischen Saal im „Kühlen Grund“. Die Veranstaltungsbroschüre, die man in der Gastwirtschaft bekommen kann, bietet viele interessante Abende für jeden Kultur- und Musikgeschmack an. Evi und Wilhelm Mayer freuen sich auf zahlreiche Gäste!
Jürgen Poth