Tourtagebuch

Darmstadt-Kranichstein

Gutmenschen werden von den WELT-Kolumnisten, den NZZ-Kommentatoren, den Tichy-„Einblickern“, der JUNGEN FREIHEIT und von Wolfgang Kubicki (FDP) et. al. gerne verhöhnt und delegitimiert. Wer sich aber mal an die Basis begibt und z.B. nach Kranichstein – einem nicht gerade gut beleumdeten Stadtteil von Darmstadt –  fährt, der bekommt eindrucksvoll gezeigt, dass die wahren Deppen auf der anderen Seite der Barrikade stehen. In der ehemaligen Eisenbahnersiedlung sind zu Beginn der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts (mein Gott, da war ich ja auch schon auf der Welt und fast konfirmiert!!) Hochhäuser gebaut worden, um Menschen mit weniger Geld Wohnraum zu bieten und es zogen – na klar! – viele Leute mit Migrationshintergrund da hin. Und schon hatte die verschnarchte Beamtenstadt ihr „Arme-Leute-Viertel“. Uärrgs!! Aber: Der Weltgeist ist listig und das Gute siegt am Ende doch! In einer guten Mischung aus sozialdemokratisch-grüner Kommunalpolitik und einem kraftvollen bürgerschaftlichen Engagement ist es gelungen einen lebendigen, sozial gut austarierten und zukunftsfähigen Stadtteil zu gestalten. Nicht ganz unschuldig daran ist der „Förderverein Kranichstein e.V.“, der seit vielen Jahren so etwas wie die demokratische Hefe im Vielvölkerkuchen bildet. Es werden Feste organisiert, Vereine unterstützt, die Politik mit gestaltet und für gute Stimmung gesorgt. Ein Mittel der bürgerschaftlichen Selbstvergewisserung ist der „Kranichsteiner Abend“ im Ökumenischen Gemeindezentrum in der Bartningstrasse. Man/frau trifft sich, babbelt miteinander und wohnt gespannt der Verleihung des „Goldenen Kranichs am Stein“ bei. Damit werden Menschen geehrt, die sich um den sozialen Zusammenhalt im Stadtteil verdient gemacht haben. Das waren schon Hausmeister, Polizisten, Ärzte, Vereinsleute und heute abend waren es die Leiterin der örtlichen Grundschule und der Leiter der Gesamtschule. Ich durfte an diesem schönen Abend im „gemütlichen Teil“ herumkaspern. Das hat mir viel Freude gemacht und wir haben mit fast 300 Leuten so etwas wie einen fröhlichen und optimistischen Gutmenschen-Treff zelebriert. Ampel-Aus und Trump-Triumph schienen für eine kurze Zeit bedeutungslos und ich kann nur hoffen, dass mein Marketing-Vorschlag verfängt und es in Kürze „Kranichstein ist annerster“-Aufkleber gibt, denn wir brauchen künftig mehr Räume, in denen es nicht so zugeht wie die WELT-Kolumnisten, den NZZ-Kommentatoren, den Tichy-„Einblickern“, der JUNGEN FREIHEIT und Wolfgang Kubicki (FDP) et. al. sich das Leben vorstellen. Eine andere Welt ist möglich.