Premiere mit „Nächster Stopp: Wart-Burg“: Das „Erste Allgemeine Babenhäuser Pfarrer (!) Kabarett“ zeigte am Donnerstag zum ersten Mal sein neues Programm im Darmstädter Halbneun Theater. Mit scharfem Witz untersucht das Duo die Ausprägungen des Zeitgeists und Trends in der Kirche. Erwartungsgemäß platzte das Halbneun-Theater aus allen Nähten, als Hans-Joachim Greifenstein und Clajo Herrmann am Donnerstag die Premiere ihres zehnten Programms und zugleich ihren 1111. Auftritt feierten. Zwischen Nonsens, Satire, Wortspielen und philosophischem Diskurs gelingt ihnen eine so heitere wie sozialkritische Vergangenheits- und Gegenwartsanalyse. Immer wieder springen die Kabarettisten zwischen historischen Ereignissen und Persönlichkeiten hin und her, ohne den roten Faden zu verlieren. So habe es sich bei Reformator Martin Luther um den Edward Snowden seiner Zeit gehandelt, der die katholische Kirche zwar retten wollte, sie aber unbeabsichtigt zerstörte. Anspielung auf Luther und das DDR-Auto Der Titel des Programms spielt sowohl auf Luthers Verbannung 1521 auf die Wartburg an, während der er in nur elf Wochen das Neue Testament ins Deutsche übersetzte, als auch auf den DDR-PKW. Das führt einerseits zur Frage, was nach fast 500 Jahren Reformation überhaupt übrig geblieben ist, während andererseits eine Exkursion über die bewusst mangelhafte ostdeutsche Automobilproduktion als Fortschrittsblockade eingeschoben wird. Wie gewohnt ergänzen sich Greifenstein und Herrmann durch ihr unterschiedliches Temperament perfekt. In seiner Paraderolle als Babenhäuser Küster im grauen Hausmeisterkittel jagt der untersetzte Greifenstein über die Bühne und echauffiert sich über Ausprägungen der Moderne. Über den Tablet-Computer als Brett vor dem Kopf, Körperkult, Zeitgenossen, die im Geländewagen zum Fitness-Center rasen, oder aussterbende Vereine und Stammtische als Trend zur sozialen Verödung wechseln sich seine Themen ab. Erneut vermischt der schlaksige Clajo Herrmann kirchengeschichtliche Exkursionen, Bibel-Exegese und sarkastische Reisebeobachtungen in unterkühlt-trockener Manier. Trotzdem fallen seine verbalen Attacken nicht weniger wütend und bissig aus. Vom ersten und kürzesten Witz des Abends „Treffen sich zwei Päpste“ bis zu fast entschuldigend vorgetragenen Kommentaren zu Tebartz van Elst, dem „Bischoff aus Mittelerde“, reichen die Spitzen auf die katholische Kirche. Am Ende steht jedoch der versöhnliche Appell zur Zusammenarbeit und Reformation beider Kirchen. Frankfurt und Offenbach als Musterbeispiele Unnachahmlich schaffen es die beiden Theologen, komplizierte Zusammenhänge auf komische Art zu verdeutlichen und absurde Kettenreaktionen aufzuzeigen. Hegels Dialektik aus These und Antithese erklärt Greifenstein am Konflikt von Frankfurt und Offenbach, während er zum Begriff der Synthese den gespritzten Apfelwein heranzieht. Selbst wenn mitunter ein vertrauter Gag aus der Schublade geholt wird, entwickeln die beiden diesen mittels neuer Pointen weiter. „Nächster Stopp: Wart-Burg“ gehört zu den besten Programmen des „Pfarrer (!) Kabaretts“, das durch perfektes Timing sowie die Balance aus satirischen Widerhaken und nachdenklichen Momenten glänzt. Hinter dem aktuellen Comedy-Nachwuchs brauchen sich Herrmann und Greifenstein jedenfalls nicht zu verstecken.