Das Festival ist zu Ende. Wir sind müde aber glücklich…..
Soviel Kirchenkabarettveranstaltungen am Stück gibt es in Deutschland sonst nur bei Kirchentagen – oder eben beim Festival in Babenhausen. Von Donnerstag bis Sonntag vergangener Woche waren nicht weniger als sieben Kirchenkabarettprogramme in der Babenhäuser Stadthalle zu sehen. Schirmherr war Badesalz-Ikone Henni Nachtsheim, der charmant und geistreich die Veranstaltung eröffnete. Ein Engel sei ihm erschienen und habe ihm im Stile der bekannten guten Fee drei Wünsche zur Verbesserung der Welt gewährt. Nachtsheim setzte sich scharfsinnig für die Ver-Hessung der herrschenden Zustände ein und spielte sich so in die Herzen des Publikums. Auch die beteiligten Künstlerinnen und Künstler waren von der uneiteln Art des Megastar-Kollegen positiv beeindruckt: „Der ist hinter der Bühne genauso sympathisch wie auf der Bühne, eine klasse Typ ohne Allüren“, war der allgemeine Tenor. „Der hat kaa Ferz im Kopp“, hätte es der Meister selbst wohl formuliert.
Wie immer, bevor es los geht: Leere Stühle stehen drohend im Raum…….
…. aber leer blieben sie nicht. Etwa 1.350 Personen haben das 5.Kirchenkabarett-Festival besucht.
Das „Klerikale Kabarett Kommando“ aus Witten spielte lupenreines Kirchenkabarett. Die Hierarchie in der Kirche, die Verflachung des Umgangs mit der Bibel und die Realitätsferne eines akademischen Mittelschichtsprotestantismus wurden von ihnen scharf gegeisselt. Klar, direkt und ohne Rücksicht auf Verluste gehen sie zur Sache und repräsentieren damit den wertvollen Beitrag der proletarischen Kultur des Ruhrgebiets für das Innenleben des „real existierenden Protestanismus“.
Ihre kongeniale Schwester im Geiste ist Ulrike Böhmer aus Iserlohn, die als „Erna Schabiewski“ aus Dortmund-Ewing stets eine verlässliche Dienerin im Weinberg des Herrn ist. Sie trägt dabei schwer an der Last der verkrusteten Strukturen einer Kirche, in der in erster Linie alte Männer das Sagen haben. Was ihr Mann Herbert aber dann im Männerzentrum auf dem Kirchentag durchmachen musste, geht auch ihr zu weit: „Ich habe drei Monate gebraucht, um ihn wieder in die Spur zu bringen“.
Auch „Frieda Braun“ aus Winterberg im Sauerland hatte von ihrer Beziehungsarbeit mit ihrem Ehegespons zu berichten. Dem jubelnden Publikum schilderte sie ihre lasziven Versuche, ihren Erwin wieder „für das Zwischenmenschliche in der Ehe“ zu gewinnen: „Da lass ich auch schon mal wie zufällig den obersten Knopf der Kittelschürze offen stehen“. Die von Karin Berkenkopf gespielte Hausfrau mit Lockenwicklern und Monster-Hornbrille versetzte die Zuschauer in eine Stimmung entfesselten Frohmuts, die doch stets mit einer Spur entsetzten Schauderns unterlegt war.
Setzte einen starken Akzent: Der "Westfalen-Block" mit (v.l.) Karin Berkenkopf, Thorsten Schröder (K 3), Ulrike Böhmer und Micki Wohlfahrt (K 3)
Ebenfalls zum ersten Mal beim Festival war das Frauenkabarett aus Waldaschaff. Sie zeigten Szenen aus dem wirklich wahren Leben im unterfränkischen Spessart und eroberten damit die Herzen der Hessen im Sturm. Lore Hock brillierte mit haarsträubenden Schilderungen eines Aufenthalts im Haibacher Klinikums und mit der Schilderung der Vorbereitungen einer Fronleichnamsprozession im Haushalt ihrer Grossmutter. So konnte man tiefe Einblicke in die skurrile Seite katholischer Volksfrömmigkeit gewinnen und nebenbei erfahren, was der Inhalt einer „Versehschachtel“ ist. Ihre Bühnenpartnerinnen Simone Amrhein und Franziska Fleckenstein diskutierten gnadenlos die verschiedenen Aspekte einer Schönheitsoperation und auch die nächtliche Kontaktsuche mit Pater Richard von den Dornenvögeln im Vatikan hinterliess beim Betrachter ein leicht fassungsloses Staunen über die Untiefen des Daseins in der unterfränkischen Einöde.
Holen sich ihren verdienten Applaus ab (v.l.) Clajo Herrmann, Ulrike Böhmer und die Waldaschafferinnen (Simone Amrhein, Franziska Fleckenstein und Lore Hock).
Ingmar Neserke schilderte seine pfarramtliche Praxis im roten Dorf Ueberau als „Don Camillo des Odenwaldes“ und unternahm verschiedene Versuche, die Kirche zukunftsfähig zu machen. Von den Katholiken abgeluchster Personenkult, Zielgruppengottesdienst für Vielflieger und nächtliche Verzweiflung beim Predigtschreibversuch waren Bausteine seines Bemühens, dessen selbstironische Spiegelungen dem Publikum sichtlich Freude bereiteten.
Die Lokalmatadoren des Babenhäuser Pfarrerkabaretts erfreuten ihre Anhängerschar mit Ausschnitten aus dem aktuellen „Goliath“-Programm, dem Solo-Programm von Clajo Herrmann („Haftung inbegriffen“) und neuen Solonummern von Hans-Joachim Greifenstein. Die Wiedersehensfreude der Harreshäuser und Babenhäuser Gemeindemitglieder mit ihren Ex-Pfarrern bildete einen wohlwollenden Bühnenhintergrund, den die beiden Profis für sich zu nutzen wussten. Herrmanns Wortspielereien bei der imaginiertem Stehparty schraubten sich in gewohnt luftige Höhen, während Greifenstein mit seinem Hausmeister das hessische Kirchenproletariat krachend zur Sprache kommen liess. Den Leuten hat es wieder einmal sehr gut gefallen, wie allenthalben zu vernehmen war.
Samstag, 19.4.2008 gegen 21.58 Uhr: Hans-Joachim Greifenstein, Karin Berkenkopf ("Frieda Braun") und Wolfgang Buck lassen sich feiern.
Heimlicher Star dieser Tage war der fränkische Pfarrer und Songpoet Wolfgang Buck. Seine schlitzohrigen Philosophierereien in den Liedansagen wurden ebenso goutiert wie seine teils skurril-witzigen Alltagssongs („Hammer hammer net, Gips hammer a nett“). Noch ein bisschen mehr ergriff er sein Publikum mit seinen nachdenklich-ernsthaften Texten („Rutsch a weng her….“). Leichte Melancholie bei einem Kabarettfestival – das traut sich nicht jeder und doch hat das erstaunlich sensible Publikum gerade diesen Aspekt besonders genossen. Es hätte nicht viel gefehlt und die Feuerzeuge wären herausgeholt und angezündet worden, aber dafür war die Grundstimmung dann wohl doch etwas zu sehr ins Lachfrohe gepolt.
Eine reibungslose Organisation mit über 80 hoch motivierten ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schnurrte im Hintergrund wie ein zuverlässiger Dieselmotor und leistete einen wichtigen Beitrag für ein wiederum rundum gelungenes Festival in Babenhausen. Bis auf einige Tonprobleme bei der abschliessenden Gala hat alles wirklich perfekt geklappt. Auch hinter den Kulissen stimmte die Stimmung. Viele Künstlerinnen und Künstler waren die ganze Zeit über zu Gast und bei Gemeindemitgliedern privat untergebracht. Beim gemeinsamen Frühstück und bei Spaziergängen wurde gefachsimpelt, geblödelt und das Netz der bundesdeutschen Kirchenkabarettszene dichter geknüpft. Auch dieses Detail gehört zur Tradition und zur Kultur des Babenhäuser Festivals und ist wohl eines seiner Erfolgsgeheimnisse.
Kann eine solche Crew versagen? Natürlich nicht! Über 80 Ehrenamtliche wirkten hinter den Kulissen. Danke! Danke!! Danke!!!
Der finanzielle Überschuß der Veranstaltung steht zur Stunde noch nicht fest und wird zu gegebener Zeit bekannt gegeben. Die Summe wird zu einem Viertel der Evangelischen Kirchengemeinde Harreshausen für ihre allgemeine Gemeindearbeit und zu drei Vierteln der Evangelischen Kirchengemeinde Babenhausen für die Kinder- und Jugendarbeit zur Verfügung gestellt.
Am Ende eines Festivals wird traditionellerweise sofort aufgeräumt und gemeinsam mit Rotwein und lauwarmer Pizza gefeiert und wie immer waberte die Frage durch den Raum, ob es denn in zwei Jahren wieder ein Festival geben würde, es wäre dann immerhin das Sechste im Zweijahresrhythmus! Die Antwort steht derzeit in den Sternen. Es lohnt sich also, ab und zu den Blick nach oben zu richten…….
Ende gut, alles gut.